Sonntag, 24. November 2019
Willkommen im Leben
Gestern hat unser BeagleMädchen per Kaiserschnitt fünf kleine Fellwürstchen entbunden, die gerade in der Hundekiste ganz komische Geräusche machen. Einer von denen wird sicher Opernsänger, er kann das hohe C ganz lange halten. Dann hätten wir noch eins, das wie ein verrückt gewordenes Quietscheentchen klingt und eines, das man mit einem kaputten Radiosender verwechseln könnte. Nun ist Ruhe eingekehrt, wie wohltuend. Hält man sein Ohr an die Kiste, hört man es Nuckeln und schmatzen. Abendessen für zwei kleine Jungs und drei Mädchen.
Donnerstag, 14. November 2019
Schwierig
Und nun wird es schwierig.
Tagelang, ja, inzwischen schon Wochenlang, bin ich auf Zehenspitzen um das Thema herumgetrippelt, immer in der Hoffnung, dass alles ein Ende, ein gutes Ende, gefunden hat und man kann "Gott sei Dank, es ist alles ruhig, alles vorbei" schreiben. Ist es aber nicht. Chile ist im Aufstand und niemand weiß, wie es weiter geht.
Wobei "Aufstand" - das klingt so politisch. Ist es ja auch, aber mindestens genauso stark und Angst einflößend ist die kriminelle Energie, die damit einher geht. Die Zerstörungen sind immens; in Valpo sind alle Supermärkte geplündert und angesteckt, es gibt keine Apotheken mehr, Dutzende kleine Geschäfte sind ausgeraubt, ganze Familien ohne Existenzgrundlage, Tausende Menschen ohne Arbeit. Sogar die Kirchen mussten dran glauben; jugendliche Banden haben geplündert, verbrannt und zerstört, was ihnen vors Visier kam.
Und so im ganzen Land. Wobei in anderen Städten, z.B. im nahen Vina del Mar, die Präsenz von Polizei und Militär sehr viel stärker war und die Zerstörung nicht so total. Das liegt zum einen daran, dass dort die Reichen wohnen und über den entsprechenden Einfluss verfügen. Zum anderen gibt es in Vina eine konservative Bürgermeisterin, die auf der Linie der Regierenden liegt. Valpo, mit seinem jungen linken Bürgermeister, der nota bene sehr viel Gutes für die Stadt erreichen konnte, hat man bewusst im Stich gelassen. Ob das politische Kalkül der Demontage aufgeht, wird man sehen. Auf jeden Fall ist dies ein glänzendes Beispiel dafür, wie man Politik auf dem Rücken der einfachen Menschen austrägt.
Irgendwie hat man den Eindruck, dass die Sicherheitskräfte die Lage längst nicht unter Kontrolle haben, obwohl sie sehr massiv auftreten; es gibt viel Tränengas und Gummigeschosse, es wird viel festgenommen und drauf eingeprügelt. Dank Handys ist man ja überall live dabei. Da kommen auch schreckliche Bilder von Menschen, die Ihre Augen verloren haben, weil sie von Gummigeschossen mit Metallkern getroffen worden sind, oder denen man eine Gaspistole ins Gesicht aus der Nähe abgefeuert hatte. Es gibt, wie immer in solchen Fällen, widersprüchliche Angaben über die Todesopfer. Die Zahlen schwanken zwischen 17 und an die 50, wobei ich denke, dass es sicher mehr als 17 sind.
Das Ganze ist wie ein riesiger Vulkanausbruch; jahrelang hat sich vieles angestaut und dann bedurfte es nur einer letzten sozialen Zumutung und dann ging alles hoch. Dieser Auslöser war die Erhöhung der Metrofahrpreise um umgerechnet drei Cent. Nicht der Rede Wert? Doch, das wären für sehr viele sieben Tausend bei einhundert Tausend Peso im Monat, also sieben Prozent des zur Verfügung stehenden Geldes. Es gibt viele ältere Menschen, die von so wenig -und weniger- leben müssen, obwohl sie ihr ganzes Leben hart gearbeitet und in das Rentensystem eingezahlt haben. Dieses jedoch zahlt ihnen lediglich zehn Prozent der Ersparnisse aus. Das vielerorts hochgelobte kapitalisierte Rentensystem hat sich als perfektes Instrument der Abzocke entpuppt. Allein dreißig Prozent der Einzahlungen werden angeblich für die Verwaltung verwendet. Sachen wie diese - und die Liste ist sehr lang- werden vom Parlament genehmigt, in dem Abgeordnete sitzen, die monatlich das dreißigfache des Mindestlohnes von 340 000 Peso nach Hause tragen. Plus die Segnungen der Korruption.
Wie gesagt, die Liste der zum Himmel schreienden Ungerechtigkeiten ist lang. Auch nur annähend alle Gründe für den Aufstand aufzuzählen ist schier unmöglich. Aber eines sollte an dieser Stelle noch erwähnt werden, weil es mir besonders am Herzen liegt: die Bildung, besser die öffentliche Bildung. Da sehe ich nämlich einen direkten Zusammenhang zu der Zerstörungswut der Jungen, die man bewusst klein und dumm hält. Es tun sich deutliche Parallelen zu den Gelbwestenaufständen in Europa auf.
Wie das? Die öffentlichen Schulen in Chile sind in jeder Hinsicht ein Disaster. Vor drei Monaten sind Lehrer der Grund- und Mittelschulen in Streik getreten - nicht wegen der lächerlichen Bezahlung, die oft ganz ausbleibt, nicht wegen der fünfzig Schüler pro Klasse, nicht wegen der maroden Schulen, nicht wegen der teuren Universitäten, die für Schüler aus dem öffentlichen System in jeder Hinsicht außer Reichweite sind- nein, der Auslöser war die glorreiche Idee des Staates die Fächer Geschichte und Erdkunde abzuschaffen. Wirklich. Ich konnte es nicht glauben! Zwei Monate lang haben Lehrer landesweit friedlich protestiert, die Mehrheit der Bevölkerung unterstützte ihre Forderungen. Leider hat sich der Staat nicht einen Millimeter bewegt, es war alles umsonst.
Man kommt nicht umhin den Eindruck zu bekommen, dass die politische Kaste - sprich: eine Handvoll Familien, die das Land aussaugen- darauf bedacht ist, unmündige Arbeitstiere zu produzieren. Der Gipfel des Neoliberalismus sozusagen. Aber davon haben die Menschen hier die Schnauze gestrichen voll: von dem privatisierten Wasser, von dem Stromkonzern, der jetzt den Chinesen gehört (wie menschenfreundlich die sind, weiß man ja), von der Ausbeutung der reichen Bodenschätze von ausländischen Konsortien, und, und und... In dem reichen Land bleibt bei den einfachen Menschen einfach nichts hängen, denn die GIER ist unermesslich. Ob es nur einen Hauch einer Chance gibt, dass sich etwas daran ändert, vage ich zu bezweifeln. Was man hat, hat man. Und wenn es ganz schlimm kommt, dann kommen mal eben die USA vorbei, wie so oft in diesem Weltwinkel. Nein, das Äußerste, was sich ändern könnte, ist die Abschaffung der alten Verfassung, die noch aus der Pinochet- Zeit stammt. Das aber wird in der Praxis nicht viel ändern, denn die Dinge, die wirklich wehtun, sind in Gesetzen geregelt. Um diese zu ändern, müsste man das ganze System stürzen, was nicht passieren wird. Hoffentlich. Hoffentlich?
Kleine Bildergalerie zwischendurch
Tommie, unser kleiner schwarzer Kater und unser PrachtPolarKater Lilly (sollte eigentlich ein Mädchen sein). Schauen in die Schlucht, wo immer etwas Interessantes durchs Gebüsch streift. |
Ein frisch geschlüpftes Küken der Kalifornischen Wachtel.Wollten wir retten, haben es aber, trotz Brutkasten, nicht geschafft. Das Teilchen wog wenige Gramm und war schon so perfekt, schade. |
Montag, 4. November 2019
Überfällig
Wenn ich mir den letzten Eintrag ansehe, dann kann ich nur sehnsuchtsvoll seufzen. Seit dem hat es nicht mehr geregnet und das ist richtig schlimm. Wir haben erst knapp ein Drittel dessen an Wasser abbekommen, was normalerweise in der sogenannten Regenzeit, sprich - im Winter, fallen sollte. Es sind eh drei, vier Wochen Regen, was sich hier Regenzeit nennt und wenn diese ausfallen, dann geht es hier allen schlecht. Die Natur pfeift an allen Ecken und Enden auf dem letzten feuchten Loch, vieles vertrocknet vor unseren Augen. Jetzt kommt ein halbes Jahr, in dem es praktisch nie regnet. In den Nachrichten gibt es immer wieder Berichte aus unserer Region über verendete Viehherden. Der Ausnahmezustand wurde ausgerufen, die Menschen erzählen sich Geschichten von angeblichen Rohrleitungen, die man in den Süden legen will, um Wasser zu holen. Dort regnet es nämlich immer, und gerade wieder reichlich.
So eine Trockenzeit sollte die Natur auch mal wegstecken können, das Problem ist aber, dass große Plantagen, besonders die mit Avocados, Tiefbrunnen bohren und Wasser aus Schichten abschöpfen, die eigentlich die Natur braucht, um wieder darauf aufzubauen - nur so füllen sich bei Regen mal wieder Flüsse und Brunnen einfacher Brotesser. Für diese bleibt es jetzt nur, zumindest hier auf dem Lande, sich das Wasser kubikmeterweise liefern zu lassen. Inzwischen kostet er zehn bis zwölftausend Peso, das sind so um die dreizehn bis fünfzehn Euro. Das ist sehr viel Geld für die einfachen Menschen.
Da sind Tiere, um die man sich auch so nicht besonders kümmert, auf sich selbst gestellt. Es streifen die Kuhmammis mit ihren Kälbern und die Pferdemammis mit ihren Fohlen herum und finden kaum etwas zu Beißen und zu Trinken. Dafür ist die Bebauung rundherum auch so weit fortgeschritten, dass sie kaum noch uneingezäunte Grünflächen finden. Oft sieht man sie am Straßenrand grasen, wo sie noch etwas Essbares finden, die Jungtiere laufen auf die Straße und ihre Schutzengel haben jede Menge zu tun.
Dazu kommen noch die Hundebanden, die, halb verrückt vor Hunger und Durst, sie jagen wo sie können. Herrenlose Hunde gibt es dieses Jahr besonders viele und stets kommen neue hinzu, die von den Städtern hier ausgesetzt werden. Ihre Anzahl ist wie ein Barometer für die wirtschaftliche Situation, auch wenn das nicht der einzige Grund dafür ist, warum Tiere ausgesetzt werden. Nur wenige schamponierte, wohlgenährte und wehrlose ehemalige Familienlieblinge können sich gegen die hart gesottenen Überlebenskünstler von der Straße zur Wehr setzen. Das Resultat sind relativ homogene Gruppen von etwa einem Dutzend mittelgroßer und großer Hunde, die unberechenbar sind.
Hatte mal die Idee, mit Bonnie und Wuschel am Strand spazieren zu gehen; die Beiden rannten sofort freudig den "Einheimischen" entgegen. Diese ihnen auch, aber alles andere als freudig. Kann nicht sagen, ob ihr Antrieb Mordlust oder ob es gerade Frühstückszeit war, bin nur heilfroh, dass ich die Kleinen unbeschadet einsammeln und ins Auto buchsieren konnte. Adé, romantische Vorstellung von Spaziergängen am Wasser. Der Anblick eines Hundes aus dieser Gruppe hat sich in mein Gedächtnis eingraviert und ich werde das Bild wohl nicht mehr los. Schäferhundgross, nur Gerippe mit Haut und ein sehr merkwürdiger Kopf. Erst aus der Nähe konnte ich erkennen, dass ihm im ganzen Gesicht und am Kopft traubengroße Zecken runterhingen, es war praktisch kaum noch etwas von ihm zu sehen. Das war einer der seltenen Momente, wo ich mir eine Waffe wünschte, um dieses Leid zu beenden.
Zwei Wochen später ist Bonnie zum zweiten Mal heiß geworden. Trotz aller Vorsicht ist sie ausgebüchst und hat sich mit den besten dieses Schlags heftigst erotischerweise eingelassen. Nun sind wir schwanger. Den letzten ihrer Lover habe ich noch sehen können, als ich sie gefunden habe. Ein großer kaffeebrauner Teddy. Geschmack hat sie, bitch. Auf jeden Fall zu groß für sie und nun sind die Babys auch zu groß. Wahrscheinlich läuft alles auf einen Kaiserschnitt hinaus, Ende November ist es soweit. Hoffentlich geht alles gut.
Das sind so unsere "Sorgen", die keine großen sind, verglichen damit, was sich gerade rundherum tut. Wasser haben wir noch (noch!) genug von unseren Brunnen für unseren Verbrauch. Abgeben können wir aber nichts mehr. In der kommenden Woche werden wir noch zwanzig Kubikmeter dazukaufen und alle Zisternen füllen. Wir müssen uns für die größte Gefahr - die regelmäßig ausbrechenden Feuer- so weit es geht, wappnen. Dieser Sommer wird schlimm werden, die Dürre ist ein gefährlicher Brandbeschleuniger.
Trotzdem sind die Themen "Wasser" , "Brände", "Dürre" gerade nicht die, die die Menschen im Moment am meisten bewegen. Chile brodelt, ich weiß nicht, wie viel davon nach Außen dringt. Doch dazu im nächsten Post.
So eine Trockenzeit sollte die Natur auch mal wegstecken können, das Problem ist aber, dass große Plantagen, besonders die mit Avocados, Tiefbrunnen bohren und Wasser aus Schichten abschöpfen, die eigentlich die Natur braucht, um wieder darauf aufzubauen - nur so füllen sich bei Regen mal wieder Flüsse und Brunnen einfacher Brotesser. Für diese bleibt es jetzt nur, zumindest hier auf dem Lande, sich das Wasser kubikmeterweise liefern zu lassen. Inzwischen kostet er zehn bis zwölftausend Peso, das sind so um die dreizehn bis fünfzehn Euro. Das ist sehr viel Geld für die einfachen Menschen.
Da sind Tiere, um die man sich auch so nicht besonders kümmert, auf sich selbst gestellt. Es streifen die Kuhmammis mit ihren Kälbern und die Pferdemammis mit ihren Fohlen herum und finden kaum etwas zu Beißen und zu Trinken. Dafür ist die Bebauung rundherum auch so weit fortgeschritten, dass sie kaum noch uneingezäunte Grünflächen finden. Oft sieht man sie am Straßenrand grasen, wo sie noch etwas Essbares finden, die Jungtiere laufen auf die Straße und ihre Schutzengel haben jede Menge zu tun.
Dazu kommen noch die Hundebanden, die, halb verrückt vor Hunger und Durst, sie jagen wo sie können. Herrenlose Hunde gibt es dieses Jahr besonders viele und stets kommen neue hinzu, die von den Städtern hier ausgesetzt werden. Ihre Anzahl ist wie ein Barometer für die wirtschaftliche Situation, auch wenn das nicht der einzige Grund dafür ist, warum Tiere ausgesetzt werden. Nur wenige schamponierte, wohlgenährte und wehrlose ehemalige Familienlieblinge können sich gegen die hart gesottenen Überlebenskünstler von der Straße zur Wehr setzen. Das Resultat sind relativ homogene Gruppen von etwa einem Dutzend mittelgroßer und großer Hunde, die unberechenbar sind.
Hatte mal die Idee, mit Bonnie und Wuschel am Strand spazieren zu gehen; die Beiden rannten sofort freudig den "Einheimischen" entgegen. Diese ihnen auch, aber alles andere als freudig. Kann nicht sagen, ob ihr Antrieb Mordlust oder ob es gerade Frühstückszeit war, bin nur heilfroh, dass ich die Kleinen unbeschadet einsammeln und ins Auto buchsieren konnte. Adé, romantische Vorstellung von Spaziergängen am Wasser. Der Anblick eines Hundes aus dieser Gruppe hat sich in mein Gedächtnis eingraviert und ich werde das Bild wohl nicht mehr los. Schäferhundgross, nur Gerippe mit Haut und ein sehr merkwürdiger Kopf. Erst aus der Nähe konnte ich erkennen, dass ihm im ganzen Gesicht und am Kopft traubengroße Zecken runterhingen, es war praktisch kaum noch etwas von ihm zu sehen. Das war einer der seltenen Momente, wo ich mir eine Waffe wünschte, um dieses Leid zu beenden.
Zwei Wochen später ist Bonnie zum zweiten Mal heiß geworden. Trotz aller Vorsicht ist sie ausgebüchst und hat sich mit den besten dieses Schlags heftigst erotischerweise eingelassen. Nun sind wir schwanger. Den letzten ihrer Lover habe ich noch sehen können, als ich sie gefunden habe. Ein großer kaffeebrauner Teddy. Geschmack hat sie, bitch. Auf jeden Fall zu groß für sie und nun sind die Babys auch zu groß. Wahrscheinlich läuft alles auf einen Kaiserschnitt hinaus, Ende November ist es soweit. Hoffentlich geht alles gut.
Das sind so unsere "Sorgen", die keine großen sind, verglichen damit, was sich gerade rundherum tut. Wasser haben wir noch (noch!) genug von unseren Brunnen für unseren Verbrauch. Abgeben können wir aber nichts mehr. In der kommenden Woche werden wir noch zwanzig Kubikmeter dazukaufen und alle Zisternen füllen. Wir müssen uns für die größte Gefahr - die regelmäßig ausbrechenden Feuer- so weit es geht, wappnen. Dieser Sommer wird schlimm werden, die Dürre ist ein gefährlicher Brandbeschleuniger.
Trotzdem sind die Themen "Wasser" , "Brände", "Dürre" gerade nicht die, die die Menschen im Moment am meisten bewegen. Chile brodelt, ich weiß nicht, wie viel davon nach Außen dringt. Doch dazu im nächsten Post.
Abonnieren
Posts (Atom)