Montag, 4. November 2019

Überfällig

Wenn ich mir den letzten Eintrag ansehe, dann kann ich nur sehnsuchtsvoll seufzen. Seit dem hat es nicht mehr geregnet und das ist richtig schlimm. Wir haben erst knapp ein Drittel dessen an Wasser abbekommen, was normalerweise in der sogenannten Regenzeit, sprich - im Winter, fallen sollte. Es sind eh drei, vier Wochen Regen, was sich hier Regenzeit nennt und wenn diese ausfallen, dann geht es hier allen schlecht. Die Natur pfeift an allen Ecken und Enden auf dem letzten feuchten Loch, vieles vertrocknet vor unseren Augen. Jetzt kommt ein halbes Jahr, in dem es praktisch nie regnet. In den Nachrichten gibt es immer wieder Berichte aus unserer Region über verendete Viehherden. Der Ausnahmezustand wurde ausgerufen, die Menschen erzählen sich Geschichten von angeblichen Rohrleitungen, die man in den Süden legen will, um Wasser zu holen. Dort regnet es nämlich immer, und gerade wieder reichlich.

So eine Trockenzeit sollte die Natur auch mal wegstecken können, das Problem ist aber, dass große Plantagen, besonders die mit Avocados, Tiefbrunnen bohren und Wasser aus  Schichten abschöpfen, die eigentlich die Natur braucht, um wieder darauf aufzubauen - nur so füllen sich bei Regen mal wieder Flüsse und Brunnen einfacher Brotesser. Für diese bleibt es jetzt nur, zumindest hier auf dem Lande, sich das Wasser kubikmeterweise liefern zu lassen. Inzwischen kostet er zehn bis zwölftausend Peso, das sind so um die dreizehn bis fünfzehn Euro. Das ist sehr viel Geld für die einfachen Menschen.

Da sind Tiere, um die man sich auch so nicht besonders kümmert, auf sich selbst gestellt. Es streifen die Kuhmammis mit ihren Kälbern und die Pferdemammis mit ihren Fohlen herum und finden kaum etwas zu Beißen und zu Trinken. Dafür ist die Bebauung rundherum auch so weit fortgeschritten, dass sie kaum noch uneingezäunte Grünflächen finden. Oft sieht man sie am Straßenrand grasen, wo sie noch etwas Essbares finden, die Jungtiere laufen auf die Straße und ihre Schutzengel haben jede Menge zu tun.

Dazu kommen noch die Hundebanden, die, halb verrückt vor Hunger und Durst, sie jagen wo sie können. Herrenlose Hunde gibt es dieses Jahr besonders viele und stets kommen neue hinzu, die von den Städtern hier ausgesetzt werden. Ihre Anzahl ist wie ein Barometer für die wirtschaftliche Situation, auch wenn das nicht der einzige Grund dafür ist, warum Tiere ausgesetzt werden. Nur wenige schamponierte, wohlgenährte und wehrlose ehemalige Familienlieblinge können sich gegen die hart gesottenen Überlebenskünstler von der Straße zur Wehr setzen. Das Resultat sind relativ homogene Gruppen von etwa einem Dutzend mittelgroßer und großer Hunde, die unberechenbar sind.

Hatte mal die Idee, mit Bonnie und Wuschel am Strand spazieren zu gehen; die Beiden rannten sofort freudig den "Einheimischen" entgegen. Diese ihnen auch, aber alles andere als freudig. Kann nicht sagen, ob ihr Antrieb Mordlust oder ob es gerade Frühstückszeit war, bin nur heilfroh, dass ich die Kleinen unbeschadet einsammeln und ins Auto buchsieren konnte. Adé, romantische Vorstellung von Spaziergängen am Wasser. Der Anblick eines Hundes aus dieser Gruppe hat sich in mein Gedächtnis eingraviert und ich werde das Bild wohl nicht mehr los. Schäferhundgross, nur Gerippe mit Haut und ein sehr merkwürdiger Kopf. Erst aus der Nähe konnte ich erkennen, dass ihm im ganzen Gesicht und am Kopft traubengroße Zecken runterhingen, es war praktisch kaum noch etwas von ihm zu sehen. Das war einer der seltenen Momente, wo ich mir eine Waffe wünschte, um dieses Leid zu beenden.

Zwei Wochen später ist Bonnie zum zweiten Mal heiß geworden. Trotz aller Vorsicht ist sie ausgebüchst und hat sich mit den besten dieses Schlags heftigst erotischerweise eingelassen. Nun sind wir schwanger. Den letzten ihrer Lover habe ich noch sehen können, als ich sie gefunden habe. Ein großer kaffeebrauner Teddy. Geschmack hat sie, bitch. Auf jeden Fall zu groß für sie und nun sind die Babys auch zu groß. Wahrscheinlich läuft alles auf einen Kaiserschnitt hinaus, Ende November ist es soweit. Hoffentlich geht alles gut.

Das sind so unsere "Sorgen", die keine großen sind, verglichen damit, was sich gerade rundherum tut. Wasser haben wir noch (noch!) genug von unseren Brunnen für unseren Verbrauch. Abgeben können wir aber nichts mehr. In der kommenden Woche werden wir noch zwanzig Kubikmeter dazukaufen und alle Zisternen füllen. Wir müssen uns für die größte Gefahr - die regelmäßig ausbrechenden Feuer- so weit es geht, wappnen. Dieser Sommer wird schlimm werden, die Dürre ist ein gefährlicher Brandbeschleuniger.

Trotzdem sind die Themen "Wasser" , "Brände", "Dürre" gerade nicht die, die die Menschen im Moment am meisten bewegen. Chile brodelt, ich weiß  nicht, wie viel davon nach Außen dringt. Doch dazu im nächsten Post.

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