Vorgestern kurz vor Feierabend, der bei uns immer um sieben beginnt, beschloss ich mal nach der oberen kleinen Parzelle zu sehen. Ich war neugierig, wie der Mensch von der Stromversorgung mit dem großen Baum klargekommen ist. Der Baum, musste ich leider, leider zugeben, stand ganz nahe an der Zisterne, die wir gerade bauen. Außerdem ragten seine Äste in die Stromleitung. Der Mann von der Stromfirma war froh, dass er sich nicht jahrelang mit den Beschneiden der Äste herumplagen musste und dass der Baum gefällt werden konnte. Ich fand es furchtbar schade, aber ich bin ja manchmal, sogar meistens scheißvernünftig. Noch bevor ich das Tor von unserem Grundstück auf dem Weg dorthin erreichte, überholte mich Luis mit seinem wackligen, trippelnden Lauf. Er kam aus der Werkstatt mit irgendeinem Gerät in der Hand gewackelt und sprudelte mit diesem wild fuchtelnd auf mich ein. Hier die Zusammenfassung dessen, was ich verstehen konnte: Nicht schlimm, muss ganz schnell, alles kaputt, nicht schlimm, Nachbars Haus, mach Dir keine Sorgen, ich muss dann... und legte ein Zahn zu. Wenn dir jemand versichert, es gäbe keinen Grund zur Sorge, dann ist meist das Gegenteil davon der Fall.
So war es auch. Angekommen, traute ich meinen Augen nicht. Es sah aus, wie nach einem Baum- Tsunami. Unser Zaun lag über weite Strecken platt unter dem liegenden Riesen, der mittlere Teil auf dem frisch zementierten Boden der Zisterne, dann weiter der zerschmetterte Betonmast der Stromleitung und als ich das Desaster bis zum Ende abgeschritten habe, konnte ich die Spitze sehen, die kurz vor der Hauswand des Nachbars endete, das Element mit seinem Maschendrachtzaun darunter zerknüllt.
Ich atmete ganz tief durch und fragte ganz sachlich wo der Maestro sei, dem wir dies verdanken würden. Alle Handwerker in Chile nennen sich Maestro, manche, die besonders viel von sich halten, sogar Artista. Es mußte eigentlich doch eher ein Artista sein, denn von den, wenn ich mich recht erinnere, 360 Grad aller möglichen Fallrichtungen, hatte er doch die einzige gewählt, die mit einem Schlag alles getroffen hat. Alle Neune. Doch leider war kein Strommmensch in Sicht, den man beglückwünschen könnte. Stattdessen stellte sich heraus, dass dieser trotz der üblichen Beteuerungen nicht kam, also ganz normal, und "meine Männer" meinten dann kurzerhand, sie würden dies einfach selbst noch schnell vor Feierabend regeln. Andres, unsere zeitweiliger Mitarbeiter und Nachbar, machte den Schnitt - eben ganz genial- und Jens zog mit der KIA den fallenden Baum. Also, er versuchte es. Aber - wenn ein Baum fällt, dann fällt er, lernten wir später, da hilft kein ziehender Laster.
Ok, immerhin ist niemand verletzt worden, das ist das Wichtigste. Die Stromleitung war gerissen und der Mast abgebrochen. Einige Häuser blieben ohne Strom, auch wir, aber Dank des Notstromaggregats war das kein großes Problem. Doch siehe da, eine Stunde später gingen plötzlich alle Lichter an. Tatsächlich hat Andres die beiden losen Enden der Stromleitung zusammengeflickt. Mir wird jetzt noch ganz schlecht, wenn ich mir das vorstelle.
Mit Spannung warten wir nun auf die Rechnung für den Strommast...
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen