Mittwoch, 15. November 2017

Die ersten Tage

Die Platitüde, dass die Zeit so schnell vergeht, wollte ich eigentlich dem geneigten Leser und mir ersparen. Aber es ist halt so, kaum ist man angekommen, schon, Zack, sind drei Wochen vergangen.

Aber ich weiß trotzdem noch genau, wie der Moment des Ankommens sich angefühlt hat. Noch von Unterwegs hielten wir Ausschau nach unserem Grundstück auf der vor uns liegenden Halbinsel Curaumilla. Da war es: roter Weg schräg vom Rücken der Curaumilla nach unten und gelbe Häuser im Grünen. Die Straße dorthin in atemberaubenden Serpentinen, die auch schon Mal als Filmset dienen dürften. Das Ende des Asphalts zweieinhalb Kilometer vor unserem Grundstück ist nach wie vor eine Herausforderung. Der Weg ist in einem besonders schlechten Zustand und der Taxifahrer bekam zurecht einen Zuschlag dafür, dass sich sein Pkw so tapfer über tiefe Rinnen, die die heftigen Regenfälle in diesem Jahr in den tonhaltigen Sand gespült haben, quälte. In der Nachbarschaft fiel auf, dass wieder neue Holzhüttchen entstanden sind, was man hier so als Ferienhaus versteht. Ganz in der Nähe hat eine Fereteria aufgemacht, die mit Baustoffen aller Art handelt. Gute Idee. Dafür gibt es immer weniger Grün, ganze Flächen werden radikal abgemurkst. Auffällig der abrasierte Streifen neben der Straße; dort entlang kriecht der Bau der Stromlinie voran, die wir schon vor Jahren haben sollten. Es geht im BER - Tempo, aber die ersten Betonmasten stehen schon und vielleicht wird das was im nächsten Jahr. Bis dahin müssen wir unseren Strom von einer privaten Anbieterin beziehen und die nimmt, solange es noch etwas für sie zu verdienen gibt, richtig viel Geld.

Auf dem Grundstück begrüßte uns Luis, ein Seemann kurz vor der Pensionierung, der in unserer Abwesenheit mit seiner Familie in unserem Gästehaus lebt und auf das Grundstück aufpasst. Den Rest des Jahres arbeitet er für uns. Dafür muss er nur über die Straße gehen, denn er ist unser nächster Nachbar. Seine Hunde und mittlerweile drei Katzen inklusive springendes und beißendes Inventar kamen auch gleich auf uns zu und es sah aus, als ob sie uns wiedererkannten. Nur das Inventar war neu und ich hatte es im Handumdrehen auch. Nur ich. Sie gehen nur auf mich los, auch wenn andere  Menschen die  Vierbeiner gefahrlos knuddeln können. 0Rh minus muss besonders lecker sein. Es hat mich zwei Wochen gekostet sie wieder loszuwerden - ich hoffe, ich freue mich nicht zu früh. Sogar in den Haaren krabbelte es und machte mich schlicht wahnsinnig.

Die ersten Besichtigungen des Grundstück zeigten, dass eine erschütternde Unordnung herrschte; überall Haufen von Holz, Brettern, Metalteilen und verrosteten Werkzeugen. Eine Recyclinganlage ist aufgeräumter. Mich hat das sehr runtergezogen, aber Jens ist da, wie immer, legerer. Immerhin gab es keine hüfthohen Diesteln auf meinen Rosenbeeten, wie die letzten Jahre. Gejätet wurde auf chilenisch, d.h. der Boden wurde von den Pflanzen mit einer Hacke freigekratzt. Drei Tage später sprießte alles in voller Schönheit. Das Haus wurde uns mit viel Chlorgestank übergeben, denn was hier sauber ist, muss nach Desinfektion riechen. Also, der Boden war sauber. Den ganzen Rest habe ich zehn Tage lang von früh bis spät geputzt und gewaschen, sogar Jens musste mir helfen, den Backofen in fünf Arbeitsgängen zu reinigen. Nun ist mein kleiner Haushalt zwar immer noch ein bisschen provisorisch, aber so wird es erstmal gehen. Ich lobe mir meine sauberen Armenier, die selbst ein Salatblatt so lange waschen, bis es komplett keimfrei und halbtot ist. Sauber ist halt relativ.
Aber ohne Luis und seine Unterstützung ginge es gar nicht, denn wir hätten das Grundstück nicht unbeaufsichtigt lassen können, während wir in Deutschland sind. So wird es wohl noch die nächste Jahre, bis zu meiner Rente, gehen müssen.

So, wie mich meine ersten Schritte in den Garten geführt hatten, so ist Jens zu unserer KIA gelaufen, die uns sozusagen mit der Außenwelt verbindet. Sie sprang nicht an, trotz Zuredens und verschiedener Tricks, die Jens so kennt. Am Ende, das heißt nach zwei Tagen, mussten wir uns für unsere Einkäufe mit einem Bekannten nach Vina del Mar fahren lassen. Jens hat sich mit einem Meister verabredet, der zu uns in die Pampa kommen sollte, um  nach dem Laster zu sehen. Da hörte ich am Nachmittag davor den vertrauten Klang des Motors und die Jubelschreie von Jens, der es doch geschafft hat, den Fehler zu finden. Erstaunlich, wie man doch die Dinge schätzt, wenn man eine Weile auf sie verzichten muss. Ich werde heute zum ersten Mal mich nach langer Zeit wieder ans Steuer setzen, um unsere Hilfe ins Dorf zurück zu bringen. Ich habe ganz schön Schiss, aber da muss  ich wohl durch.


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