Freitag, 23. Januar 2009

Special 2: Ich erzähl Euch mal was vom Pferd...




Pferdeboxenluder













Eines der ersten -und schönsten- Dinge, die man hier als mitteleuropäische Stadtmaus lernt, ist die allgegenwärtige und selbstverständliche Gegenwart von Pferden. Kaum ist man gelandet und verlässt Santiago auf einer nagelneuen Autobahn, schon klebt man mit der Nase am Fenster. Unterwegs sieht man so viele Pferde entlang der Strasse, dass man dies nur mit dem Vorkommen der Störche in Masuren vergleichen kann. Und dann - auf dem Seitenstreifen Grüppchen von Reitern, die in aller Gelassenheit und Würde, beschattet von ihren Kreissägen- Hüten, daherschreiten. Irgendwann muß hier ein feuriger arabischer Hengst vorbeigekommen sein, denn die meisten Pferde sind ziemlich zierlich und bildschön. Und sie wissen das genau. Das ärmliches Pferdegeschirr aus Schnüren und Decken tut dem Stolz keinen Abbruch. Die Füße der Reiter baumeln gelassen in holzpantinenartigen Steigbügelschuhen, meist hübsch geschnitzt. Die Körperhaltung ist COOL. (Beneidenswert, wenn ich daran denke, wie ich mich habe beim Reitunterricht trietzen lassen; "Fersen nach unten!", "Ellenbogen an den Körper!", "Kopf hoch!" und so weiter ohne Ende, bis man vollendet unnatürlich und unglücklich dasaß.)

Noch schöner allerdings ist es, die "Viecher"in kleinen Herden durch die Botanik unserer Halbinsel streifen zu sehen, ohne Zaumzeug, scheinbar frei und wild. Das aber ist nur die verklärte Version. Wahr ist, dass diese Tiere wohl schon jemanden gehören - was man auch zweifelsohne an den "Gebrauchsspuren" an ihren Körpern sieht. Sie sollen sich hier selbst versorgen - wer füttert schon seine Pferde (oder Katzen?oder Hunde?)? Letztes Jahr habe ich mich ganz heftig in so einen halbwilden Hengst verliebt, mit dem ich mich lange über die Schlechtigkeit der Zweibeiner unterhalten konnte und reichlich geschmust habe. Dafür hat er seine kleine Herde herbeigerufen und sie stolz vorgeführt, bevor sie in unserer Schlucht zum Trinken verschwunden sind. Beinahe jeden Tag lege ich altes Brot und Kartoffelschalen auf unserer Parzelle aus und hoffe, dass es "meine" Herde ist, die das wegputzt.

Im Dorf laufe ich mittlerweile nicht mehr zum Fenster, wenn ich Pferdegetrappel höre; es reitet einfach einer zum Einkaufen zum Kiosk um die Ecke, die Carabinieros-sehr, sehr schmuck!- schauen nach den Rechten, ein kleiner Junge reitet, während sein Freund mit der Mofa danebenknattert... Doch letzten Sonntag war es irgendwie anders. Reiter scheinbar aus allen Himmelsrichtungen und sonntäglich herausgeputzt, Pferdetransporter, große und kleine "Menschenherden". Ich ging zu dem Club der Huasos (Foto habt Ihr schon, s.u.) und stellte fest, dass dieses Pferdegewussel einen Grund hatte: media luna! So heisst das chilenische Rodeo, das im Gegensatz zu dem spanischen kein Töten als Unterhaltungselement beinhaltet. Auch werden hier die Tiere nicht gequält, indem man ihnen, wie in den Staaten, die Kronjuwelen abschnürt, damit sie vor lauter Schmerzen recht wild auftreten. Dies hier hat allein mit der Geschicklichkeit der Berittenen zu tun, die zu zweit ein Rind in eine bestimmte Richtung treiben, stoppen, hinlegen lassen und was nicht alles, was ich mit meinem ungeübten Auge noch gar nicht richtig erkennen konnte. Meist traten Familien gegeneinander an, Vater und Sohn im gleichen Poncho, der Rest brüllend auf dem Hügel rund um die Arena, Oma inklusive. Ich habe mich erst vorsichtig, dann ganz frech dazwischen gemischt, obwohl ich anfangs ein wenig Bedenken hatte, ob sie eine gringa bei so einem Insider-Ereignis tolerieren wurden. Meine Begeisterung war aber wohl so offenkundig, dass sie mich "aufgenommen" haben und ich durfte auf dem Holzbalken in der knalligen Sonne zwischen "richtigen Kerlen" Platz nehmen. Es roch nach Pferd, Schweiss und jeder Menge Rotwein. Und niemand hat mich blöd angemacht, im Gegenteil, viele wollten einfach gerne aufs Foto und stellten sich in Pose. Ich konnte ihnen nur das winzige Bild auf dem Display der Kamera zeigen, aber das fanden sie toll und freuten sich diebisch.

Ich habe dann irgendwann gemerkt, dass ich zu viel Sonne abbekommen habe und habe mich zum Ausgang durchgeschlagen. Die letzten Reiter waren wohl sowieso schon "durch", keine Ahnung, wer nun gewonnen hat, aber das war offensichtlich nicht soo wichtig. Im Hintergrund spielte schon die Kapelle auf. Flugs schnappten sich einige ältere Damen mit strahlenden Gesichtern und wenig Zähnen darin eine ebenso reizvolle Tanzpartnerin und legten los. Bevor sich dieses respekteinflösende Naturelement richtig entfalten konnte, schlich ich mich an den abgekämpften Pferden entlang nach Hause. Da konnte ich sehen, was es heißt, ein Huaso- Pferd zu sein: einige Tiere waren an den Vorderbeinen gefesselt, viele hatten grausamstes Zaumzeug im Maul, eines war am Hals von Rind verletzt worden, viele waren von den Sporen blutig. Keines der Tiere reagierte auf Ansprache oder Streicheln. Sie sind "hart" gemacht worden, nur am Überleben interessiert. Die Menschen benutzen hier Tiere wie Gebrauchsgegenstände, sie werden so lange geschunden, bis sie funktionieren. Und wenn nicht, dann haben sie ihre Daseinsberechtigung eingebüsst. Ich denke, dass dies alles für uns Weicheier leichter zu ertragen wäre, wenn man die Notwendigkeit einsehen könnte. Aber diese Geschöpfe gehören zu 90% Männern, die längst andere Berufe haben und das Pferd lediglich als wichtiges Instrument ihres Machogehabes gebrauchen. Aber das ist eine andere Geschichte...

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