Der Jahreswechsel stand unter einem mobilen Stern: Wir haben unsere sieben Sachen gepackt und sind von dem Dorf Laguna Verde auf die 7 km entfernte Halbinsel Curaumilla gezogen, auf der auch in Entfernung von knapp einem Kilometer von dem neuen Domizil unsere Parzelle liegt. Gut organisiert haben wir in Windeseile das Haus geschrubbt, die Möbel platziert und Anschaffungen wie Waschmaschine, Herd, Matratzen und Gardinen gemacht. Alles muy pronto.
Es war gewissermaßen eine Punktlandung, denn schon zwei, drei Stunden nach dem letzten Handschlag bekamen wir lieben Besuch aus dem Süden. Die Familie Boesch hat sich auf den 1000 km Weg gemacht, um uns zu besuchen und das Feuerwerk über der Bucht von Valparaiso zu erleben. Die "Inspektion" der Baustelle verlief zufrieden stellend; Lob, Anerkennung und Tipps zur Bebauung waren uns willkommen. Vor allem möchte ich an dieser Stelle hervorheben, dass Christian sich in meinen Augen unsterbliche Verdienste erworben hat: Er überzeugte Jens, dass man vor dem Haus wegen des schönen Ausblicks nichts mehr bauen sollte. Dies war immer mein heimlicher Wunsch, dennoch habe ich ihn als "Luxuswunsch" nie zu äußern gewagt. Nun wird die Werkstatt mit Gästewohnung auf dem Grundstücksteil über uns entstehen. Danke Christian. Die Boeschs haben uns auch darin bestärkt, das Grundstück vor uns zu erwerben, es besteht zwar zu 90% nur aus Schlucht, aber wenn sich jemand das in den Kopf setzt, dann könnte er auf dem kleinen Plateau ein Häuschen bauen, und dann hätten wir es vor der Nase. Auf verschlungenen Pfaden versuchen wir nun mit dem Besitzer in Kontakt zu treten und hoffentlich wird es uns gelingen, diese kleine Landnase vor uns zu einem erträglichen Preis zu kaufen.
Das Feuerwerk zu Silvester sollte mit der Inszenierung von den alljährlichen Konzerten, die Christian am W.A. Mozarts Todestag auf den Fundo Papageno vor einer atemberaubenden Kulisse von See und Vulkanen veranstaltet, mithalten. Dort verklingt der letzte Ton des Requiems wenn die untergehende Sonne den Schnee auf den Vulkanen in ein unwirkliches Rosa taucht. Das also war der Maßstab und nun sollte uns wenigsten annähernd etwas dermaßen Beeindruckendes gelingen.
Wir hatten Glück: Es war vollmondhelle Nacht, als wir uns an einer Autobahnausfahrt in Decken gehüllt hockten. Unter uns das Lichtermeer im riesigen Amphitheater der Stadt und das Wasser des Hafens - pures Silber. Entlang der ganze Küste, viele -zig Kilometer lang, spuckten "Abschussrampen" Wunderblumen, Goldregen, Weihnachtsbäumchen, Glitzerpusteblumen und vieles Schönes mehr im Gleichtakt in den klaren Himmel. Dies war einfach überwältigend. Ein schöner Einstieg ins Neue Jahr.
Am nächsten Tag hatte die Boesch- Familie Sightseeing im Programm. Sie haben wirklich diesen einen Tag so randvoll zugepackt, dass sie sich so viel angesehen haben, wie sonst unsere Besucher gerade in drei Tagen schaffen. Sehr tapfer. Besonders, wenn man bedenkt, dass am nächsten Tag die 1000 km zurück anstanden und das mit einer ausgefallenen Klimaanlage und einigen anderen technischen Zickereien. Aber es war schön, sie hier zu haben. Nächstes Mal bitte für länger.
Ein paar Tage danach hatten wir hier ein paar ungemütliche Stunden mit einem Feuer in der direkten Nachbarschaft. Erst kamen die Feuerwehrleute aus Valparaiso - Israelis und Spanier. Die Feuerwehr ist hier freiwillig und die verschiedenen Nationen geben sich die Ehre eine zu unterhalten. Dann wurde es noch windiger und das Feuer breitete sich aus. Es kamen Löschflugzeuge und Helis. Inzwischen war auch alles voller Ruß und die Luft kratzte im Hals. Unglücklicherweise hatten sowohl wir als unser Vermieter im Haus vor uns nicht einen Tropfen Wasser. Uns ist es gerade ausgegangen und er hatte an dem Tag alle seine Tanks geleert und gereinigt. Ausgerechnet in diesem Moment standen wir auf dem Trockenen. Jens fuhr wie wild eine Tour nach der anderen mit dem Laster, um die Tanks zu füllen. Gegen Abend hatten wir ein paar Kubikmeter da und auch schon Schläuche parat, um die Gebäude zu bespritzen.
Bis dahin war ich noch ganz ruhig. Doch dann wurde es irgendwie anders. Die Menschen rannten noch kopfloser umher, Pferde wurden in Sicherheit gebracht, Leute auf der gegenüberliegenden Straßenseite schafften ihr Mobiliar auf die Straße, und warteten ergeben auf der Waschmaschine und dem Sofa sitzend was nun kommt. Gekommen ist Arnt - vom Löschen hergelaufen und reingeschossen ins Haus; es habe eine Durchsage der Polizei gegeben, man solle sich zur Evakuierung fertig machen. Wisst Ihr wie viel wirklich wichtige Dinge man hat? Nicht viel, sie passen in einen kleinen Karton; Dokumente, Tickets, Computer. Mit der Box unter dem Arm schielte ich immer zu nach unseren Viechern, um sie, wenn nötig, zu packen und ins Auto zu stopfen. Das war dann der Moment, in dem es mir doch mulmig wurde - brennende Katzen vor Augen, die sich nicht einfangen lassen und all so was. Das ist der Nachteil von ganz viel Phantasie.
Bis dahin war ich noch ganz ruhig. Doch dann wurde es irgendwie anders. Die Menschen rannten noch kopfloser umher, Pferde wurden in Sicherheit gebracht, Leute auf der gegenüberliegenden Straßenseite schafften ihr Mobiliar auf die Straße, und warteten ergeben auf der Waschmaschine und dem Sofa sitzend was nun kommt. Gekommen ist Arnt - vom Löschen hergelaufen und reingeschossen ins Haus; es habe eine Durchsage der Polizei gegeben, man solle sich zur Evakuierung fertig machen. Wisst Ihr wie viel wirklich wichtige Dinge man hat? Nicht viel, sie passen in einen kleinen Karton; Dokumente, Tickets, Computer. Mit der Box unter dem Arm schielte ich immer zu nach unseren Viechern, um sie, wenn nötig, zu packen und ins Auto zu stopfen. Das war dann der Moment, in dem es mir doch mulmig wurde - brennende Katzen vor Augen, die sich nicht einfangen lassen und all so was. Das ist der Nachteil von ganz viel Phantasie.
Ich konnte nichts tun als warten wann das „Go“! kommt. „Nichts tun können“ ist in so einer Situation gar nicht schön. Doch dann kam ich auf die Idee, dass ich doch etwas tun konnte. Ich rief meine Spanischlehrerin und Freundin an. Sie ist eine Verwandte von Isabel Allende und daher ist es auch absolut nicht verwunderlich, dass sie mit Geistern im engen Kontakt und täglichen Austausch steht. Es hört sich zwar seltsam an, aber ich habe ihr die Situation geschildert und sie gebeten, Kontakt aufzunehmen und um Hilfe für uns zu bitten. Das hat sie dann gleich gemacht. Ein, zwei Stunden später hat der Wind gedreht und das Feuer ist seitlich an uns vorbei gegangen. Was auch immer man davon hält - wenn der Wind, der das Feuer auf uns zugetrieben hat, nicht gedreht hätte, hätten wir alles verloren. Ich habe mich dann brav bedankt, bei meiner Freundin und bei den Geistern. Das ist eben Chile.
Doch die Gefahr war noch nicht vorbei. Die Gegend ist mit einem dicken Nadelteppich bedeckt und der entzündet sich schnell, verbreitet sich bei Wind sehr rasch und glüht auch gerne Tage nach. Dazu kommt, dass es im Winter zu wenig geregnet hatte und alles Staubtrocken ist. Wir gingen an dem Abend zwar schlafen, aber mit mindestens einem wachen Auge. Einigermaßen beruhigt haben uns die drei Löschzüge, die um die Ecke in Lauerstellung parkten. Doch als Jens gegen Zwei mal nachschaute, war der Platz leer. Da machte er sich mit Spaten zum Löschen auf und kam erst gegen Morgen wieder. Den Vormittag fuhr Jens für die Leute, die die übrig gebliebenen Feuernester bekämpften, Wasser. Die Bomberos kamen wieder in ihren Fahrzeugen abwechselnd auf den Platz, um die Löschfahrzeuge aus riesigen Wasserballons aus Gummi aufzutanken. Die jungen Männer waren so fertig, dass sie sich kaum halten konnten, einige schliefen aus Erschöpfung sitzend und stehend ein.
Jens und ich stellten fest, dass die Männer seit über zwanzig Stunden weder etwas zu Essen noch zu trinken hatten. Die „Geretteten“ sahen es nicht als notwendig, kamen schlicht nicht auf die Idee, etwas anzubieten. Hier sieht jeder zu, wie er selbst zurecht kommt, ein Gemeinschaftssinn wie in Deutschland ist nicht vorhanden. Es gibt Erklärungen, dass die Gesellschaft sich so unter der Diktatur entwickelt habe, früher sei es anders gewesen. Ich bin da skeptisch - die Diktatur hat große Schuhe und da lässt es sich bequem alles mögliche reinschieben. Wir sind eher der Meinung, dass die Chilenen eine Rücksichtslosigkeit und einen Egoismus an den Tag legen wie große Kinder - in allen Lagen des Lebens: „Ich! Ich! Ich“! Und „nach mir die Sintflut“! Wie auch immer, die verrückten Alemanen schleppten Kaffee, Getränke und Essen herbei, was mit einer fast beschämenden Dankbarkeit entgegen genommen wurde. Dies wurde zwar diskret aus vielen Augenwinkeln registriert, aber niemand schloss sich an. Hier gilt man als schwach oder loco (eigentlich beides), wenn man selbstlos ist, an andere mitdenkt oder einfach nur Gutes tut. „Danke“ ist in den seltensten Fällen dabei, es hat ja niemand darum gebeten. Im Gegenteil: Hört man irgendwann auf, eine Familie mit Mehl zu unterstützen, werden sie richtig böse und sind beleidigt. Sie können dann richtig feindselig werden, wie wir lernen mussten.
Tja, das Feuer schwellte dann noch hier und da ein paar Tage lang und dann war es wirklich vorbei.
Die knapp überstandene Gefahr hielt niemanden davon ab gestern Abend zwischen dicht gedrängten Holzhäusern - zwei Meter bis zur nächsten Holzwand- uns gegenüber ein Lagerfeuerchen anzuzünden. Die Fiesta mit Musik und Alkohol dauerte bis in den Morgen. Die großen Kinder haben nix gelernt und haben einfach nur ihren Spaß gehabt. Auch das ist Chile.