Donnerstag, 12. März 2009

Einmal Argentinien und zurück



Der Aconcagua, mit 6962 m der höchste Berg Südamerikas und des amerikanischen Kontinents sowie der höchste Berg ausserhalb Asiens


Schrecklich, wie die Zeit auf einmal rennt, sobald man die Mitte erreicht hat. Dann wird aus "haben noch" ein "haben nur noch" und man überlegt, wie man die verbliebene Zeit am besten nutzt, was man noch anpackt, was dann doch warten muss und was noch unbeding erledigt werden muss. Zum letzteren gehörte auf jeden Fall die "Rein-und-raus-Fahrt" nach Argentinien.
Obwohl der Name Argentinien womöglich gespannte Erwartungen weckt - der Grund für diesen Zwangsausflug ist prosaisch. Es sind wohl Tausende, die sich deswegen regelmäßig über die Anden wurschteln, manche machen das schon jahrelang, alle drei Monate. Denn drei Monate ist das Touristen- Visum gültig und dann muss man mal raus, um mit einem frischen wieder reinzudürfen. Es soll sehr schwierig sein, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen - das steht uns noch bevor. Also, bei uns war es auch so weit.

Naja, dachten wir, machen wir das Beste draus und fahren nach Mendoza, die Gartenstadt in der Wüste. Soll sehr schön sein, haben wir gehört, und eine Pause vom Bau haben sich die fleißigen Handwerker verdient. Aber ja nicht zu lange, denn die fleißigen Handwerker sind vom Stamme Johannsen und können Freizeit nicht so gut ertragen. Also dann doch nur zwei Übernachtungen, gut.
Wir fuhren am 16. Februar am Vormittag los. Nach einer interessanten Fahrt durch kleine Städte, verschlafene Orte und ein fruchtbares Tal sind wir gut durchgeschüttelt am Fuße der Anden angekommen. Von da an ging es sehr steil in Serpentinen aufwärts. Beim Blick durchs Seitenfenster gaaaanz weit runter stellten sich bei einigen Passagieren die Nackenhaare auf, einige wurden auch unruhig, als ein Tanklastzug drei Autos vor uns nach einem Baustellenstopp nicht anfahren konnte. Er rollte immer wieder ein Stück rückwärts und es waren wohl die gesammelten Gebete aller Fahrzeuginsassen -mit aufgestellten Nackenhaaren- hinter ihm, die den Motor dann doch endlich zum Brummen brachte. Dann passierten wir einige Kontrollstellen und wurden mit einer durchschnittlichen Portion Bürokratie abgewickelt.
Und dann! Dann kam Atemberaubendes! Die argentinische Seite führte uns in sanften Schleifen herunter, vorbei an traumhaften Berglandschaften. Hinter jeder Biegung tauchten immer wieder neue Riesen auf, in warme Strahlen der Nachmittagssonne getaucht, vor einem postkartenblauen Himmel. Mal kam eine Orgie in Grün: von Schilf- bis Jadegrün, sanft und lieblich, mit einem dichten Pflanzenfell so kuschelig, dass man am liebsten mit der Hand über den Bergrücken streicheln wollte. Dann wieder glühten Ocker, Ziegelrot bis Orange auf einer senkrecht zerfurchten Wand. Dahinter zogen grau-blassblaue Erscheinungen an uns vorbei, gleich danach traten uns schwer schwarze Kathedralen entgegen. Eine Zeitlag sind wir an einer "Chinesischen Mauer" entlag gefahren, einen ausgetrocknetes Flussbett von majestätischer Größe. Über die ganze Fahrt begleitete uns ein Fluß, der manchmal kaum zu sehen war, er hatte die Farbe eines guten Kakaos und schlängelte sich durch blassgraues Geröll. (Übrigens: Die Flüsse in Argentinien fließen andersherum als in Chile, daran spätestens merkt ein geografisch unerfahrenes Wesen, dass frau schon auf der anderen Seite ist.) Zu unserem Begleitfluss stiess durch eine enge Schlucht fast rechtwinklich ein anderes Flüsschen. Wir machten einen Stopp, um zu gucken. Nein, das war dann doch übertrieben, fanden wir; das Wasser in den Flüsschen, das in unserem Kakao mündete, war vom schönsten Türkis! Das Konzert der Farben und Formen war überwältigend und die "Ooh"-s und "Guck doch mal"-s kamen dreifach ohne Ende, bis man nur noch guckte, still und demütig.

Allergrössten Respekt und Bewunderung hatten wir empfunden, als wir den Verlauf der alten Eisenbahnlinie, die paralell zur Strasse in die Felsen gehauen war, verfolgten. An steilen Wänden entlag, mit grösseren und ganz kleinen Tunneln durch Felsvorsprünge, über Schluchten hinweg, abenteuerlich, halsbrecherisch und unererschrocken, einfach meisterhaft gebaut. Die ersten Hundertmeter war die Schmalspurbahn sogar noch in Betrieb, wir sahen darauf Züge fahren mit einer eigenartigen Last, über die noch in Fachkreisen diskutiert wird.

Gegen sechs Uhr abends waren wir in dem ersten größeren Ort Uspallata angekommen, ca.120 km von Mendoza entfernt. Wir waren hungrig, sehr sogar. Also aßen wir was und danach stellte sich eine gewisse Reiseunlußt ein, denn müde hat uns das Erlebte wohl auch gemacht. Der Fahrer, der uns ausgezeichnet durch diese Abenteuer chauffiert hat, schlug vor, dass wir uns statt zwei Übernachtungen in Mendoza eine an Ort und Stelle in einem Super-Hotel leisten könnten, das wir im vorbeifahren in einem Park liegend gesehen haben. Pool, Restaurant - sprich guter argentinischer Rotwein !-, Fitness, überhaupt ein Hauch von Luxus- das hat uns überzeugt, sofort. Was war? Das Hotel, dass sich mit dem Namen Grand schmückte, verdiente keinen von den Sternen. Kurz: Es war lausig, richtig schlecht. Kein Pool, kein Wein, kein Nix. Naja, wir habens überlebt, am nächsten Tag wollten wir nur noch eins- so schnell wie möglich nach Hause, zu den Viechern, zu den vertrauten Flöhen, zu den rotten Bädern... Und irgendjemand hat auf der Rückfahrt die Farben ausgeknipst.

So war Argentinien - kurz, sehr kurz. Und wieder einmal- das Schönste war der Weg. Die Fotos geben leider nicht im Entferntesten die Schönheit der Anden wieder, schade.

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